Kids im Farrenstall

Im Sommer 2015 kamen viele Geflüchtete nach Kusterdingen. In der Teilgemeinde Mähringen lebten die meisten von ihnen in 2 großen Häusern, aber auch in die Nachbargemeinden kamen immer mehr geflüchtete Menschen. Für jede Familie stand zunächst nur ein Zimmer zur Verfügung, unabhängig von der Familiengröße.

Für sie alle war dies eine sehr schwere Zeit, vor allem für die Kinder.

Kein Platz zum Spielen, kein Platz, Freunde und Freundinnen einzuladen und kein Platz, mal kurz seine Ruhe zu haben.

Alles war fremd, und das nicht nur sprachlich.

Ein Gruppe ehrenamtlicher Erwachsener begann ab Herbst 2015 einmal in der Woche die Kinder abzuholen und wir gingen mit den Kindern raus in die Felder. Die Kids sprangen über Gräben, kletterten auf Bäume, hüpften Seil und malten die landwirtschaftlichen Wege mit Kreiden an. An Regentagen durfte sich die Gruppe im Werkraum der Härtenschule in Mähringen treffen. Die Kinder kamen aus Syrien, Irak, Albanien, Afghanistan, dem Libanon und den Emirates.

Am Anfang stand Naturbeobachtung und Bewegung im Vordergrund.     3 Mähringer Wiesenbesitzer ließen uns auf ihre Wiesen (danke!!), hier konnten sich die Kinder austoben. In der Enge der Wohnungen hatte sich viel Energie angestaut und die neue, unvertraute Sprache machte die Kinder zusätzlich unruhig.

Es tat ihnen gut, einfach rumzurennen.

Die ersten 2 Jahre mit den Kindern waren aufregend und sehr anstrengend.  Es gab viele sprachliche Missverständnisse,  manche Kinder konnten sich nur körperlich aggressiv verständigen, vieles aber war witzig, berührend und schön und jeder Nachmittag mit ihnen war ein Geschenk. Mit der Zeit und mit zunehmenden Sprachkenntnissen begannen wir, Wiesenworkshops anzubieten. Wir zeichneten mit den Kindern die Blumen, die wir beim Spaziergang gesehen hatten oder stellten Kräuterbutter und Kräutersalz her und vesperten unter Apfelbäumen. Sie lernten Birnenbäume von Nussbäumen zu unterscheiden und spürten die Rinde der verschiedenen Bäume.

Ich erinnere einen Nachmittag zum Thema „Erdbeeren“ : Wir schauten uns die Pflanze und die Früchte an, aßen Erdbeereis- und Erdbeerschokolade und zeichneten die Früchte. Irgendwann fingen die Kinder an, von den Beerenbüschen in Afghanistan zu erzählen. Sie erzählten von Obstgärten in Syrien und dem Irak und von Großeltern, die in Albanien immer so leckere Marmeladen einkochen.

Vertraute Gespräche waren meist das Wichtigste an solchen Nachmittagen.

Die „Spaziergehgruppe“, wie wir uns nannten, etablierte sich und gehörte zum festen wöchentlichen Ablauf der Kinder. Auch integrative Nachmittage in Kooperation mit dem Förderverein der Härtenschule fanden statt. Deutsche und geflüchtete Kinder gemeinsam beim Waldspaziergang oder beim Drucken.

Seit Anfang 2017 ist die Werkstatt von Flüchtlinge am Werk in Immenhausen unser Treffpunkt und wir sind ein Teil dieses Projektes geworden.

Die Kinder sind nun älter und Sprache ist kein Problem mehr. Wir unterhalten uns fließend und können den Kindern manche Frage zum Zusammenleben in Deutschland beantworten. Und im Gegenzug hören wir zu, wenn die Kinder über arabisches Essen, den Ramadan oder die Geburt eines Geschwisterchens erzählen.

Wir malen und zeichnen immer noch sehr viel und gehen auch immer noch spazieren. Die Nachmittage finden regelmäßig, aber nicht mehr wöchentlich statt. Die Kinder haben inzwischen Mittagsschule, Kernzeitbetreuung und oder besuchen selbst in einen Verein.

Wir gehen ins Theater, machen einen Ausflug zum Pferdehof in Ammerbuch oder statten einer Polizeistation in Stuttgart einen Besuch ab. Im Sommer 2018 führten wir einen Figurenbauworkshop durch und probten danach auf der Probebühne im Reutlinger Kulturzentrum franzk.

Leider kam es zu keiner Aufführung mehr, weil während den Probeterminen 2 Kinder abgeschoben wurden.

Unser Projekt, das uns 2019 beschäftigt heißt „Animals“. Wir besuchen, wenn es geht zu Fuß, Familien auf den Härten, die Tiere besitzen. Die Familien zeigen uns ihre Tiere, erzählen, wie die Ziege heißt, wie sie lebt, was sie frisst, wie die Ställe aussehen oder wo die Hühner ihre Eier legen.

Wie zeichnen und malen die Tiere direkt im Stall oder auf der Wiese. Bei den Offenen Ateliers Kusterdingen im Mai 2019 haben die Kinder ihre tierischen Zeichnungen und Kunstwerke ausgestellt.

Kids im Farrenstall hat sich in den vergangenen  4 Jahren immer wieder verändert. Kinder mussten gehen, neue kamen dazu.

Insgesamt ist unsere Gruppe kleiner geworden, doch ein Teil der Kinder ist seit 4 Jahren mit dabei.

Wir sind froh darüber, heute ein Teil von „Flüchtlinge am Werk“ zu sein. Die Werkstatt eignet sich hervorragend für unsere  künstlerischen Angebote und es ist entlastend für uns, dass Flüchtlinge am Werk seit 2017 alle anfallenden Materialkosten übernimmt. Danke.

Viele Menschen haben seit 2015 dieses Projekt unterstützt. Vielen Dank an alle!

Für die „Kids im Farrenstall“

Susanne Schäffer

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